Uwe Johnson |
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die Grenze: die Entfernung: der Unterschied Scheinbar handelt es sich um eine Reise in die Vergangenheit, in das Deutschland der Nachkriegszeit. Obwohl Uwe Johnsons Geschichte kurz vor dem Mauerbau spielt, ist es doch auch eine Reise in die Gegenwart. Die Grenze zwischen den beiden Staaten die "drei Meilen vor der Küste anfängt mit springenden Schnellbooten, junge Männer halten sie in den Ferngläsern, scharf geladene Geschütze reichen bis zu dem Stacheldrahtzaun, der heranzieht an den freundlichen Strand der Ostsee", wir sehen sie heute nicht mehr, sehen nicht mehr "zehn Meter breit aufgepflügt den Kontrollstreifen drängen in den eigens gerodeten Wald, die Karrenwege und Trampelpfade, eingesunken und zugewachsen", erinnern uns kaum noch der "Übergänge für den Verkehr auf der Straße auf Schienen in der Luft: was du sagen mußt bei den Kontrollen (was man dir sagt) auf der einen und der anderen Seite, wie die Baracken unterschiedlich aussehen und die Posten unähnlich grüßen und das schreckhafte Gefühl der fremden Staatlichkeit". Diese Grenze, bei der Wiedervereinigung schnell entfernt, wirkt weiter. Sie ist als Bauwerk verschwunden aber innerlich längst nicht überwunden. Sie gehört zu unserer Geschichte und will verstanden werden. Unser zweites Johnson-Projekt ist eine Annäherung an die Gegebenheiten der deutschen Teilung. Was war, woraus bestand, welchen Sinn hatte diese Grenze? Wo sind jene Grenzen auch heute noch spürbar? Mit Uwe Johnson versuchen wir eine Annäherung. Das Zusammentreffen mit Dietmar Mues ist für uns ein besonderer Glücksfall. Dietmar Mues hat nicht nur ein traumwandlerisch sicheres Gespür für Uwe Johnson, sondern auch eine Liebe zu ungewöhnlichen Projekten. Wir arbeiten bei diesem Projekt musikalisch eng mit Dieter Glawischnig zusammen. So trifft sonorfeo mit seinen Ideen auf zwei "Altgediente" mit einer sehr großen künstlerischen Bandbreite und Erfahrung. Auf diese Weise entsteht ein Ensemble dass nicht nur in Neuer Musik und Jazz zu Hause ist, sondern auch vielfältige Erfahrungen mit Improvisation und "Annäherungen" hat.
Foto: Heinz Lembäcker Cydamonoe ist eine Montage mit Texten Uwe Johnsons und enthält Teile der Mutmaßungen über Jakob, der Jahrestage und Johnson'scher Prosa. Sie gibt keine durchgehende Handlung wieder, sondern setzt verschiedene Geschichten und Bilder des Autors zu einem akustischen Kunstwerk zusammen, das eine Annäherung an die Sprach- und Bilderwelt Johnsons ermöglicht, auch ohne sein umfangreiches Werk ganz gelesen zu haben. Durch die musikalische Bearbeitung der Texte wird es dem Publikum leicht gemacht, sich auf Johnsons trockene Knorrigkeit und seinen hintergründigen Humor einzulassen. Wir konfrontieren das "Sperrige" an Johnsons Erzählkunst mit unserer Musik, die deutend und kommentierend simultan miterzählt und so Mutmaßungen über Werk und Autor anstellt. Beim Umgang mit den Texten stellten wir schnell fest, dass der feine Humor und die scharfe Beobachtung menschlicher Umstände während der deutschen Teilung Uwe Johnson für uns sehr interessant machen. Das Heranspüren an die Welt des Autors gewährte uns eine neue, intime Sicht auf die seelische Verfassung der deutschen Bevölkerung beider "Seiten". Eine Verfassung, die lange noch nicht verarbeitet, geschweige denn geklärt und gelöst ist. |
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