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Altes im Neuen / Neues im Alten ...

Was ist eigentlich Neue Musik? Ist Musik "neu" wenn nichts beim "Alten" bleibt? Muss Neue Musik alles neu erfinden, oder gibt es Konstanten? Ist Neue Musik der Schneider, der neue Kleider um den bleibenden Körper hüllt, oder greift sie in den Bauplan des Körpers selber ein? Wie viel Altes findet sich im Neuen? Wie verwurzelt ist Neue Musik in der Alten Musik? Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen und Antworten zu finden, suchen wir immer wieder den hautnahen Kontakt zur Alten Musik. Die Antworten sind manchmal vielschichtig und verwirrend, manchmal schlicht und eindeutig. Vertrautheit und Fremdheit begegnen einem dabei an Stellen an denen man oft nicht damit gerechnet hätte. Zwei Projekte in denen wir spannende Antworten gefunden haben finden Sie hier:

  

  

  

Musikalische Opfer

"Ein Musikalisches Opfer" von Johann Sebastian Bach ist eines der großen Meisterwerke der Kontrapunktik. Die kunstvollen Ausführungen des "königlichen Themas" sind sehr komplex konstruiert, was bedeutet, dass dem Spieltrieb angesichts des gegebenen Themas phantasievoll, aber nach den damals geltenden Regeln der Kunst nachgegangen wurde. Hier anknüpfend haben wir zusammen mit den Solisten des Barockensembles Concerto con anima.de in identischer Besetzung eine Spiegelung versucht. Traverso und moderne Flöte, Violine und Cello in barocker und moderner Bauweise, sowie Cembalo und Konzertflügel stehen sich in ihren originalen Stimmungen gegenüber. Dabei geben wir dem Spieltrieb des Werkes nach den Regeln der heutigen Kunst Raum. So spannt sich ein phantasievoller Bogen von 1747 in die Gegenwart. Es ist eine Entdeckungsreise in die Bezüge und Verbindungen der Musik der Gegenwart mit der Musik der Vergangenheit. Das Wort "Opfer" fassen wir dabei so auf, wie es damals geklungen hat. Es meinte zu Bachs Zeiten auch Offerte, Angebot, Darbringung. Wir fassen es auf als eine Möglichkeit mit dem Thema umzugehen.

  

  

  

  

"Jesu meine Freude"

Die Motette von J.S. Bach beschäftigt uns seit einigen Jahren. Unsere erste Annäherung an das Werk fand mit Wolfgang Kläseners Kantorei Barmen Gemarke statt. Wir nannten es eine "improvisatorische Interpretation". Mittlerweile gibt es auch eine Fassung für Gesangssolisten und Instrumentalensemble. Ziel ist es, ein vermeintlich bekanntes Stück in die Gegenwart zu holen. Darunter verstehen wir, uns die Frage zu stellen, wie das Werk heute klänge wenn es neu erfunden würde? Es herrscht zwar die Meinung vor, dass J.S. Bach keiner Erklärung bedarf, aber stimmt das? Wie ein altes lieb gewonnenes Gemälde, oder ein bekanntes, oft gesehenes Theaterstück, hat auch eine bekannte Komposition die Tendenz, zu einer Gewohnheit zu werden. Natürlich hören wir alle gern, und völlig zu Recht, Bachs Passionen, die h-Moll Messe oder seine wunderbare Kammermusik. Aber ist uns "unser Bach" wirklich geläufig, haben wir den klaren Blick auf ihn bewahrt? Wir haben uns mit Wolfgang Kläsener aufgemacht Bach neu zu entdecken, ihm die "Hüllen" der unterschiedlichen Gewissheiten zu nehmen, um einen Blick auf den "nackten", den puren Bach zu ermöglichen. Wir gehen dabei ganz schlicht vor. So wie Christo und Jeanne-Claude Gebäude und Landschaften verhüllen, und sie so eine zeitlang dem gewohnten Blick entziehen, verfremden wir die Musik Bachs und entziehen sie den Hörgewohnheiten. Wir spielen dabei mit den Melodien, den Rhythmen, den textlichen Inhalten (Johann Franck, Paulus) und spiegeln sie in die Gegenwart. Am Ende steht ein frischer Blick auf ein vermeintlich Bekanntes, und das Werk und seine Architektur erstrahlt im ursprünglichen Glanz.